Click, click, buy: Wie sieht die Zukunft des Handels aus?

Grazer Wirtschaftsgespräche – Click, click, buy: Wie sieht die Zukunft des Handels aus?

335. Marketing Clubabend I 19.10.2021

Es scheint so, als könne man mittlerweile alles online bestellen. Ein Klick hier, ein Klick da, und kurze Zeit später werden die neuen Sportschuhe, die neue Waschmaschine oder auch die im Kühlschrank fehlenden Zutaten für das Abendessen bequem nach Hause geliefert. Die Covid-Krise ist in diesem Zusammenhang ein wahrer „Brandbeschleuniger“ – 2020 stiegen die Ausgaben im Onlinehandel in Österreich auf ein Rekordniveau von 8 Milliarden Euro. Damit einher geht auch die Ungewissheit, ob der Online-Handel dem stationären Handel den Rang ablaufen wird und zum weiteren Aussterben der österreichischen Innenstädte beiträgt. Wie sich die Zukunft des Handels tatsächlich entwickeln wird, hängt aber nicht nur von der Anzahl der verfügbaren Online-Shops ab, sondern vor allem davon, was die Verbraucher wollen.

Vor diesem Hintergrund diskutierten bei den 12. Grazer Wirtschaftsgesprächen unter der Moderation von Harald Gutschi, Sprecher der Geschäftsführung von UNITO und selbst Vertreter eines klassischen Versandhändlers, der zum Onlinehändler wurde, Roland Fink, Geschäftsführer des Onlinehändlers Niceshops, Philipp Gady,  Geschäftsführer der Franz Gady GmbH und somit Vertreter des stationären Handels und Dienstleister sowie Marc Schwingenschlögl, früher Manager in Industriebetrieben und heute Geschäftsführer von heat-style Linhart.

Angesprochen auf die Kernbotschaft angesichts der aktuellen Lage des Handels meint Roland Fink, es geht nicht um die Frage, ob der Online-Handel den stationären Handel ausschlachtet. Er sieht den Online-Handel als einen Kanal unter vielen und die Quintessenz ist seiner Meinung nach, dass der Kunde nach mehr Convenience strebt und diese vor allem der Online-Handel bietet. Philipp Gady sieht einen Veränderungsprozess, der alle Ebenen betrifft, ist aber zuversichtlich, dass das Ergebnis positiver ist, als man sich das jemals vorgestellt hat, vor allem dann, wenn man positiv an die Herausforderung herangeht. Marc Schwingenschlögl sieht die Zukunft im Handwerk positiv. Das Handelsprodukt tritt für ihn immer weiter in den Hintergrund, stattdessen wird die Dienstleistung – wegen des Fachkräftemangels – immer mehr zum knappen Gut. Darum wird es immer wichtiger Gesamtpakete anzubieten, die den Kunden einen Mehrwert – der über die Dienstleistung erreicht wird – liefern.

Im Zentrum der Diskussion standen die Themen, die den Handel in 10 Jahren prägen werden. Für Philipp Gady wird das Thema der individuellen Mobilität in der Gesellschaft weiter von Bedeutung sein, „in welcher Form – ob man Autos verkauft, Mobilitätsangebote vermietet oder Leasingmodelle anbietet – wird sich zeigen“. Gady ist auch überzeugt, dass die Laufleistungen, also die Kilometer, die gefahren werden, nicht weniger werden. Es kann sein, dass dies mit weniger Fahrzeugen passiert, aber dann wird die Tauschrate der Fahrzeuge – nicht zum Nachteil der Autohändler – höher sein. Er sieht auch einen Anstieg in der Mobilität in der Region im Umkreis von 1000 Kilometer, was zu einer Symbiose zwischen dem Ausbau des öffentlichen Verkehrs bzw. der Infrastruktur und des individuellen Verkehrs führen wird. Seinen Vorteil als Händler sieht er in der Kundennähe und dem Wissen der Händler, welche Produkte und Dienstleistungen sich Kunden wünschen und „was beim Kunden ankommt“. Neben dem Verkauf von Produkten spielt auch in der Automobilbranche das Dienstleistungsangebot eine zentrale Rolle. Zudem stehen bei Gady auch Begriffe wie Customer Journey, Usability und Convenience im Vordergrund, denn es ist offensichtlich, „dass für die Kunden alles noch schneller und einfacher gehen muss“.

Angesprochen auf das Autohaus der Zukunft meint Philipp Gady, dass sich die Schauräume massiv verändern werden und es auch Erlebnisplätze der individuellen Mobilität z.B. mit Virtuell oder Augmented Reality auch im innerstädtischen Bereich geben wird. Solche Verkaufskonzepte funktionieren bereits und sind seiner Meinung nach auch notwendig, um das Produkt Auto auf eine andere Art erlebbar zu machen. Auch das Drängen der Industrie direkt zum Kunden – Stichwort Direct-to-Consumer – wird Veränderungen in Vertriebsmodellen bewirken. Die zentralen Fragen dabei sind, in welchen Bereichen es für die Industrie sinnvoll ist, direkt mit dem Kunden in Kontakt zu treten und welche Teilbereiche (z.B. Dienstleistungen) Händler übernehmen können bzw. für welche Aufgaben diese unverzichtbar sind. Schon jetzt besteht für die Händler die Herausforderung darin, die Verkäufer und die Techniker um- und nachzuschulen, um die technisch anspruchsvollen – und teilweise weniger benutzerfreundlichen – Bedienungselemente dem Kunden zu erklären.

Roland Fink verweist darauf, dass sich die Vertriebskanäle verändern. Der Anteil des Onlinehandel von aktuell zwölf bis vierzehn Prozent wird in kürzester Zeit auf vierzig bis fünfzig Prozent steigen. Im stationären Handel wird es zu einem Wandel in der Nutzung der Geschäftsflächen kommen. Die Präsentation der Waren und vor allem das Erlebnis gewinnen immer mehr an Bedeutung. Den Lebensmittelhandel sieht Fink zukünftig massiv unter Druck. Der Kauf von täglichen Produkten muss für Konsumenten bequemer werden, da beim Einkaufen für den täglichen Bedarf Convenience im Vordergrund steht. Im urbanen Bereich sieht man jetzt schon Unternehmen, die eine schnelle Zustellung von Einkäufen innerhalb weniger Minuten anbieten. Auch die aktuellen Geschäftspraktiken von großen Playern am Markt sieht Fink kritisch. Vor allem die unfaire Bepreisung und die Ausgestaltung von Margen tragen seiner Meinung nach zu einem Umdenken bei Konsumenten bei und führen dazu, dass diese vermehrt direkt beim Produzenten, z.B. dem Landwirt, kaufen. Wenn dieser Trend weiterhin zunimmt, fallen Umsätze bei großen Ketten weg und kleine Direktanbieter haben mehr Chancen am Markt und bestimmen in weiterer Folge auch wieder die Produktpreise. In diesem Zusammenhangt sieht Fink auch im Bereich der Logistik die Möglichkeit von dezentralen Lösungen, also, dass „jeder Landwirt oder jeder Händler den Nachbarn beliefern kann“ als Gefahr für sein Geschäftsmodell. Den aktuellen Wettbewerbsvorteil versucht er durch das Vorantreiben der Digitalisierung und Data Analytics zu erhalten und einen Mehrwert innerhalb der Dienstleistung zu schaffen – z.B. durch schnelle und für den Kunden bequeme Lieferung. Weitere wichtige Trends für Fink sind die Verpackung von Produkten und die Nachhaltigkeit, wobei beide Trends durch Kundenwünsche getrieben werden. Kunden wollen Produkte schnell geliefert bekommen – vielleicht sogar in den eigenen Wohnraum. Sie wollen diese Produkte nicht lange auspacken und dann die Verpackung auch noch entsorgen. Unternehmen überlegen sich daher bereits Verpackungen, „die im Kreislauf gehen“. Vielfach gibt es Initiativen – so auch von Niceshops im urbanen Raum – so wenig Verpackung wie möglich zu verwenden. Konsumenten wollen auch, dass Produkte eine längere Haltbarkeit aufweisen mit der Konsequenz, dass Unternehmen nachhaltiger werden müssen, um erfolgreich sein.

Marc Schwingenschlögl ist überzeugt, dass man „als kleiner stationärer Händler nur bestehen kann, wenn man Handelsprodukte führt, denen man durch eine Dienstleistung einen Mehrwert für den Kunden geben kann“. Hier spielt auch der Fachkräftemangel eine entscheidende Rolle, denn es gibt keine Handwerker, die Dienstleistungen günstig anbieten können, wenn Normen und Vorschriften beachtet werden.

Das Thema Lieferausfall beschäftigt die Diskutanten in unterschiedlichem Ausmaß. Während Marc Schwingenschlögl schon mit Lieferproblemen konfrontiert ist und auch Philipp Gady durch Restriktionen in den Lieferketten nicht auf alle Kundenwünsche eingehen kann, macht Roland Fink die Warenverfügbarkeit wenig Kopfzerbrechen. Grund dafür ist der vollautomatisierte Einkauf auf Basis von Prognoserechnungen, der dafür gesorgt hat, dass vor über einem Jahr – als von Lieferengpässen keine Rede war – die Systeme aufgrund längerer Lieferzeiten begonnen haben, etwas mehr einzukaufen als üblich und so die Lager gut gefüllt sind.

Wenn man die Diskussion zusammenfasst, war das Schlüsselwort des Abends mit Sicherheit Convenience für den Kunden. Als Fazit des Abends kann man das Plädoyer von Roland Fink sehen, der eindringlich darauf hinweist, die Chancen, das Leben der Menschen einfacher zu machen, zu nutzen.

Stimmen der Diskutanten

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2021-11-02T18:35:07+00:00