Traktorenwerk Lindner – Gewinner des Staatspreises Marketing 2015

Traktorenwerk Lindner: Mit Kundenorientierung und Pioniergeist zum Erfolg

285. Marketing Clubabend I 25. April 2016

Wenn man Verkäufe ankurbeln möchte und es Traktoren am Markt wie Heu gibt, sind Innovationen Pflicht. Was bei vielen Unternehmen für großen Druck sorgen würde, ist für den Tiroler Traktorenhersteller Lindner Herausforderung und Motivation zugleich. Das Traditionsunternehmen setzte seine Innovationsstrategie fort und landete mit dem Lintrac einen absoluten Coup. Mit konsequenter Kundenorientierung und Pioniergeist hat der Nischen-Player auf den Strukturwandel in der Landwirtschaft und gleichzeitig auf die Bedürfnisse der Landwirte reagiert.

Mag. David Lindner präsentierte in seinem Vortrag u.a. die Meilensteine in der Entwicklung eines Spezialfahrzeuges, das im Verbrauch sparsam, im Gebrauch leicht bedienbar ist, mehrere Funktionen gleichzeitig erfüllt und maßgeblich zur wirtschaftlichen Stabilität des Unternehmens beigetragen hat.

Unternehmensgeschichte

Das Tiroler Familienunternehmen Lindner Traktoren behauptet sich mittlerweile seit mehr als einem halben Jahrhundert erfolgreich auf dem Markt. Die Geschichte der Traktorenwerk Lindner GmbH begann 1946 mit der Produktion von Gebirgsgattersägen in einer kleinen Werkstatt beim Vorhoferbauern in Kundl, in der auf einer alten Werkbank selbst konstruierte transportable Gebirgsgattersägen und Forstgeräte für Holzbearbeitung gebaut wurden. 1948 rollte erstmals ein handwerksmäßig erzeugter Traktor aus Österreich aus dem Lindner’schen Traktorenwerk, der im gleichen Jahr bereits auf der Wiener Herbstmesse der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Das 14 PS starke Modell stieß auf große Nachfrage, obgleich es mancher „Kenner“ der Landwirtschaft nach der damaligen Marktlage „für einen Unsinn hielt, in Tirol Traktoren produzieren zu wollen“.

1953 legte Lindner den Grundstein für den heutigen Erfolg des Traktorenwerkes mit der Entwicklung des ersten Vierradantrieb-Traktors in Österreich. 1956 zählte das Traktorenwerk bereits 150 Beschäftigte. Monatlich verließen rund 70 Traktoren vor allem für österreichische Kunden, aber auch für den Export nach Spanien, Frankreich und Italien das Werk in Kundl. Zwei Jahre später wurde die Fertigungshalle auf die doppelte Fläche vergrößert. Der Personalstand wurde auf 200 Mitarbeiter erhöht und die Produktion auf ca. 200 Traktoren gesteigert.

Zum Bearbeiten und Befahren von sehr steilem Gelände wurden 1968 die ersten Transportermodelle entwickelt und produziert. Durch rasche und einfache Umbauweise kann der Transporter als Ladewagen, Streu- oder Transportfahrzeug und ebenso zur Gülleausbringung verwendet werden. Das Produktionsgelände wurde laufend vergrößert. So erfolgte 1973 die Inbetriebnahme einer neuen Transporter- und Reparaturhalle. Die Hallen umfassen eine groß angelegte, moderne Reparaturwerkstätte mit Kundendienstabteilung und Motorprüfstand sowie ein nach neuen und praktischen Erfahrungen angelegtes Ersatzteillager mit Versandabteilung. Im Sommer 1984 begann die Zusammenarbeit Lindners mit der Steyr-Daimler-Puch AG. Zehn Jahre später wurde das 10.000ste Steyr-Getriebe geliefert.

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Die Unitrac-Reihe

1990 wurde das erste Ausstellungszentrum eröffnet. Lindner-Kunden konnten nun die Fahrzeuge direkt im Werk begutachten. Verkaufsausstellungen am firmeneigenen Gelände wurden ebenfalls gut besucht, zumal sich Kunden neben neuen Traktoren auch gebrauchte Traktoren und Vorführmaschinen sowie Zusatzgeräte ansehen konnten. Bald wurde allerdings der Platz im Werksgelände zu eng. Eine Alternative bot schließlich das 6000 m² große Ausstellungszentrum im Ortsteil Weinberg in Kundl. 1992 wurde schließlich der erste Unitrac – eine geländegängige Kombination aus Transportfahrzeug und Geräteträger – als Universaltransporter für die Landwirtschaft vorgestellt. Der Unitrac ist das Resultat mehrjähriger Entwicklungsarbeit und eine Kombination aus Komfort, Leistung und Wirtschaftlichkeit. Durch seine Ausstattungsvielfalt sind die Einsatzbereiche des Fahrzeuges umfangreich: Vom Transportieren über Land- und Forstwirtschaft, Landschaftspflege, bis hin zum Kommunal- und Winterdienst ist der Unitrac universell einsetzbar. Heute sind europaweit rund 3000 Unitrac-Transporter mit 10.000 Anbaugeräten unterwegs – von Gemeinden und Städten über Seilbahnen bis zu Landwirten. 1995 wurde Lindner der „Tiroler Innovationspreis“ verliehen. Die Auszeichnung wird an Firmen mit besonders innovativen Leistungen vergeben, welche von einer Fachjury geprüft und ausgewählt werden.

Anfang der 1990er-Jahre wurde der Frontanbau von Geräten immer beliebter. Um diesem Trend gerecht zu werden, präsentierte Linder 1996 mit dem Geotrac ein völlig neues Traktorenkonzept mit modernstem Design, das durch eine steil abfallende Motorhaube und großzügige Kabinenverglasung eine möglichst gute Sicht auf die Frontanbaugeräte ermöglicht. So genannte „Freisichttraktoren“ waren geboren. Im Jahr 2005 verließen schließlich der 10.000ste Geotrac und der 1000ste Unitrac das Werk. Strukturveränderungen in der Grünlandwirtschaft und Berglandwirtschaft, vermehrter überbetrieblicher Einsatz durch Maschinenringe und der generelle Trend zu höheren Flächenleistungen haben das Lindner Entwicklungsteam zur Entwicklung der Geotrac- Reihe „Serie-4“ veranlasst. 2007 präsentierte Linder als erster Traktorenhersteller eine neue Geotrac-Reihe mit Sicherheitskabine und verwendete erstmals LEDTechnologie im Traktor. Im Jahr 2008 wurden das Entwicklungs- und Technologiezentrum und eine neue Montagehalle eröffnet. Das neu erbaute Entwicklungs- und Technologiezentrum direkt am Firmensitz in Kundl unterstützt die Kommunikation zwischen Lindner und seinen Entwicklungs-, Liefer- und Vertriebspartnern, um sicherzustellen, dass weiterhin laufend praktische und innovative Neuentwicklungen auf den Markt gebracht werden können.

2011 sanierte Lindner die Produktionshalle in Kundl nach modernsten, ökologischen Gesichtspunkten. Die Abwärme der Maschinen wird genutzt, um ein Nebengebäude zu heizen. Eine moderne Frischluftfilteranlage reinigt die Abluft. Die Wärme, die dabei entsteht, wird wieder in das Gebäude zurückgeführt – so verbraucht Lindner in Kundl kein Erdöl. Durch die thermische Sanierung des Produktionsgebäudes erhielt Lindner als erstes Unternehmen in Österreich den Niedrig-Energieausweis für ein Betriebsgebäude. Außerdem implementierte das Familienunternehmen eine neue ERP-Anwendungssoftware. Diese erleichtert den Umgang mit der enormen Datenmenge und regelt die unternehmerischen Ressourcen. Ein Schlüssel zum Erfolg von Lindner ist der enge Kontakt des Unternehmens mit seinen Kunden.

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Das Technologiezentrum von Lindner in Kundl

Über die Jahre konnte Lindner seine Fahrzeuge durch die Erfahrungen von mehr als 40.000 Kunden aus Bergund Grünlandwirtschaft, der Landschaftspflege sowie aus dem Einsatz als Forst- und Kommunalfahrzeug weiterentwickeln. Mit dem Start des Lindner-epp (efficent power program) arbeitet Lindner zudem intensiv an der laufenden Optimierung von Verbrauch und Effizienz seiner Produkte. Im Jahr 2013 präsentierte Lindner schließlich mit dem Lintrac den ersten stufenlosen Standardtraktor mit mitlenkender Hinterachse. Auf der Agritechnica in Hannover wurde der Lintrac zur „Maschine des Jahres 2014“ gekürt. Im Jahr 2014 erfolgte schließlich der Startschuss für die Serienproduktion des neuen Lintrac. 2014 eröffnete Lindner auch das vier Millionen Euro teure Innovationszentrum in Kundl. Dabei handelt es sich um ein multifunktionales Verkaufs- und Kundencenter, bei dem die nachhaltige Bauweise im Mittelpunkt steht. Neben dem Verkaufs- und Kundencenter sind im Gebäude Schulungsräume und die Innovationsgalerie untergebracht. Dort zeigt Lindner Höhepunkte aus der mehr als 65-jährigen Unternehmensgeschichte.

Unternehmenzahlen

Das Tiroler Familienunternehmen hat im ersten Halbjahr 2016 in Österreich 384 Traktoren verkauft – das entspricht einem Plus von sieben Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das ist umso bemerkenswerter, als der Gesamtmarkt weiterhin rückläufig ist und im ersten Halbjahr um mehr als sechs Prozent zurückging. Lindner konnte die Marktentwicklung mit einer konsequenten Nischenstrategie und Innovationen wie dem stufenlosen Lintrac fast kompensieren. Mit einem Marktanteil von 15,5 Prozent belegt Lindner Platz zwei des österreichischen Standardtraktoren- Rankings. Lindner erzielte im Geschäftsjahr 2015/2016 einen Umsatz von 74 Millionen Euro – das ist ein leichter Rückgang von rund 3,9 Prozent im Vergleich zum bisher umsatzstärksten Jahr 2013/2014. Im Jahr 2015 verließen mehr als 1300 Traktoren und Transporter das Kundler Werk. Der Mitarbeiterstand mit 221 Beschäftigten ist auch in einem anspruchsvollen wirtschaftlichen Umfeld stabil geblieben. Großen Stellenwert hat bei Lindner seit jeher die Lehrlingsausbildung: Derzeit sind 13 männliche und zwei weibliche Lehrlinge im Unternehmen tätig. Die Exportquote des Familienunternehmens liegt bei 50 Prozent. Dabei konzentriert sich das Unternehmen verstärkt auf Auslandsmärkte mit hohem Potenzial – unter anderen auf die Schweiz. 2015 hat Lindner in der Schweiz die Verkaufszahlen auf 160 Traktoren und Transporter verdoppelt. Erstmals wurde darüber hinaus nach Skandinavien geliefert.

Branchenumfeld

Der europäische Traktorenmarkt wird von vier Großkonzernen dominiert, die sich gemeinsam rund 80 Prozent des Gesamtmarktes teilen. Im Jahr 2014 zählten dazu mit 42 Prozent Marktanteil die CNHGruppe, zu der auch Steyr-Traktoren gehört, mit 15 Prozent die AGCO-Gruppe mit Marken wie Fendt, mit 11 Prozent die italienische Same Deutz Fahrgruppe sowie John Deere mit einem Marktanteil von 13 Prozent. Lindner hält einen Marktanteil von ebenfalls rund 13 Prozent. Alle Hersteller haben allerdings durch den Strukturwandel in der Landwirtschaft – vor allem durch die Betriebsreduktion – mit sinkenden Zulassungen bei Traktoren zu kämpfen. Lindner ist neben den vier Global-Playern einer der wenigen kleinen Hersteller, der sich als Nischen-Anbieter seit über sechs Jahrzehnten bewährt. Dies gelingt durch die Spezialisierung auf Fahrzeuge für die Berg- und Grünlandwirtschaft im Alpenraum.

Produktinnovationsprozess

Vor einigen Jahren stand Lindner vor der Entscheidung, den bislang erfolgreichen Weg weiterzugehen oder sich durch die Erweiterung des Produktprogramms als Full-Liner aufzustellen. Da für den Familienbetrieb eine dadurch nötige Umstellung des Managementsystems und die Kapitalaufnahme nicht in Frage kamen, war die Entscheidung, sich im Bereich Berg- und Grünlandwirtschaft sowie im Kommunaleinsatz noch weiter zu spezialisieren, keine schwere. Die Produktpalette von Lindner umfasste bisher die Traktorenbaureihe Geotrac und die Transporterbaureihe Unitrac. Für die komplette Abdeckung der Anforderungen in der Berglandwirtschaft fehlte jedoch ein Spezialfahrzeug zur Steilhangbewirtschaftung. Zudem war Lindner zwar im Inland in seinem Segment, das Traktoren mit einer Motorisierung zwischen 75 und 100 PS umfasst, Marktführer, konnte jedoch mit dem bestehenden Traktoren-Programm kaum noch Marktanteile dazugewinnen. In den Exportmärkten wurde Lindner auch nicht immer als Spezialist für die Hangmechanisierung wahrgenommen, da ein eigenes Hang-Mähfahrzeug im Produktprogramm fehlte. Eine weitere Überlegung, die in den Produktentwicklungsprozess miteinfloss, ist die Tatsache, dass der Fuhrpark vieler Bauernhöfe mehrere Maschinen, wie z.B. Traktoren, Transporter oder Hoflader umfasst. Ziel war es daher auch, den Fuhrpark eines Hofes zu verkleinern und die Einzelaufgaben der Fahrzeuge in einem Traktor zusammenzufassen, der mehr Stunden fährt, mehr eingesetzt wird und dadurch produktiver arbeitet.

Zusammengefasst bestand die Ausgangssituation für den Innovationsprozess also darin, durch die Einführung einer dritten Baureihe, die speziell auf Hangmechanisierung abzielt, den Kundenkreis im In- und Ausland zu erweitern und mit einem solchen spezialisierten Fahrzeug im Produktprogramm die Wahrnehmung als kompetenter Berg-Spezialist international zu verstärken. Dabei konnte auf das Knowhow bestehender Lindner-Kunden zurückgegriffen werden. Ein entscheidender Vorteil Lindners ist auch, dass die Hälfte der Belegschaft des Unternehmens zumindest Wurzeln in der Landwirtschaft hat, ein Drittel der Belegschaft zudem Nebenerwerbslandwirte sind – Lindner kann also Produkte von Bauern für Bauern entwickeln. Ziel des Innovationsprojektes war es, die Kundenansprüche so in die Fahrzeugentwicklung umzusetzen, dass der Nutzen für den Kunden größer ist als bei bereits am Markt verfügbaren Produkten. Durch vielseitige Einsatzmöglichkeiten und höhere Nutzungsdauer sollte eine bessere Wirtschaftlichkeit erreicht werden. Bis zum Serienstart sollten mindestens 50 Vorbestellungen eine kontinuierliche Fertigungsüberleitung ermöglichen.

Das entwickelte Marketingkonzept vereinte schließlich einen offenen Innovationsprozess mit Lead-User-Ansatz und eine cross-mediale Kommunikationsstrategie. Es war zu Beginn der Überlegungen z.B. vollständig offen, „ob das Fahrzeug vier oder sechs Räder oder auch Raupen haben sollte“, so David Lindner. Eine umfangreiche Marktanalyse zur Erhebung der Kundenansprüche diente der Formulierung der Entwicklungsvorgaben. Dazu wurden sowohl die Bedürfnisse der Kunden heute als auch in zehn bis zwanzig Jahren analysiert. Fragen nach dem Trend, welche landwirtschaftlichen Betriebe und Konzepte bleiben, welche sterben werden, standen im Mittelpunkt. Dazu wurden qualitative und quantitative Erhebungsmethoden kombiniert. Aufbauend auf 65 Jahre Erfahrung mit über 40.000 Kunden wurden schließlich die Nutzenansprüche in die Entwicklungsvorgaben für das Produkt übersetzt. Im Rahmen des Lead-User-Ansatzes wurden Meinungsbildner in der Berg- und Grünlandwirtschaft, die zukunftsträchtige Konzepte im eigenen Betrieb umsetzen, zur Zusammenarbeit eingeladen. Die cross-mediale Kommunikationsstrategie umfasste die für die Branche untypische Einbindung von Internet und Social Media. Vor allem virales Marketing sollte zur Imagebildung beitragen. Ein neues Element, das Lindner einsetzte, war, gezielt Gerüchte zu streuen. Im Rahmen von Händlerschulungen wurden in den Kaffeepausen vorab definierte Merkmale des neuen Produktes als Gerüchte gestreut – natürlich unter dem Vorwand der Vertraulichkeit. Die gleiche Strategie wurde in Gesprächen mit der Fachpresse angewandt. Auch in Gesprächen mit Lead-Usern wurden gezielt platzierte Botschaften eingesetzt, die diese dann am Stammtisch weiterplaudern sollten. Dies führte zu einem hohen Interesse im Vorfeld der Konzeptpräsentation. Die Kommunikationsstrategie sah allerdings auch vor, dass ab der Erstpräsentation der Neuentwicklung der Innovationsprozess bis zum Serienstart offen kommuniziert werden sollte.

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Der Lintrac – das Ergebnis des Produktinnovationsprozesses

Im Juli 2013 hat Lindner das Konzept des Lintrac für die wichtigste Innovations-Auszeichnung der Branche eingereicht, die im Rahmen der Agritechnica verliehen wird. Die Agritechnica ist die größte agrartechnische Fachmesse der Welt. Da der Lintrac als erstes Fahrzeug einer neuen Baureihe präsentiert wurde, hatte die Markteinführung auch eine strategische Bedeutung und sollte zum Ausbau der Kompetenz Lindners in seiner Marktnische beitragen. Wichtig war es, ein attraktives Image des Produktes bei der Zielgruppe entstehen zu lassen. Denn, „gelingt eine positive Darstellung der Merkmale und des Gesamtkonzeptes bei der Markteinführung, erleichtert dies einen erfolgreichen Ausbau der zukünftigen Reihe“, ist David Lindner überzeugt. Der Lintrac ist auf die Marktnische Berg- und Grünlandwirtschaft spezialisiert und aufgrund der verarbeiteten Technik ein hochpreisiges Produkt. Allerdings bietet der Lintrac durch seine Vielseitigkeit ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis: Er kann drei bisher am Markt existierende Fahrzeugkonzepte – Standardtraktor, Hangmäher und Hoflader – fast zur Gänze ersetzen. Als langfristige Investition sollte das Konzept besonders kosteneffizient sein, da es günstig im Unterhalt ist, einen niedrigen Verbrauch hat und durch die langfristige Ersatzteilversorgung sehr wertstabil ist. Der Lintrac stellt eine Ergänzung des bestehenden Produktportfolios dar und ist zur Substitution von bestehenden Produkten der Mitbewerber geeignet.

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Teaser-Kampagne in der Fachpresse

Um den Lintrac schließlich der Öffentlichkeit zu präsentieren, wurden in einem ersten Schritt über alle Fachmedien im deutschsprachigen Raum Inserate in der Größe von Viertelseiten bis halben Seiten geschaltet. Auf den Sujets war eine typische Bergbauernfamilie abgebildet, die bei der Feldarbeit „Unglaubliches“ sieht und dies mit staunendem Gesichtsausdruck und dem Ausspruch „Das gibt’s ja nicht“ zum Ausdruck bringt. Mehr als den Sender der Botschaft „Lindner“ erfährt der Betrachter nicht. Die Händler, denen ja schon die Gerüchte zu Ohren gekommen waren, fühlten sich bestätigt, dass in absehbarer Zeit mit einem neuen Fahrzeug zu rechnen sein wird. In einem zweiten Schritt wurden in Social Media Videos gepostet, die wiederum eine typische Bergbauernfamilie zeigen, die bei der Feldarbeit Unglaubliches sieht und ihre Eindrücke beschreibt. Dabei werden allerdings erstmals die innovativen Merkmale erwähnt. Was die Familie aber genau sieht, bleibt unklar – nur der Name „Lintrac“ wird preisgegeben. Bereits in der Produktentwicklung des Lintrac wurde darauf geachtet, leicht verständliche und gut kommunizierbare Merkmale zu schaffen, die dem Kunden Nutzen stiften. So ist z.B. eine mitlenkende Hinterachse ein Merkmal, das jeder versteht, denn „wenn die Hinterachse mitlenkt, dann heißt das Wendigkeit“, so David Lindner. Nach der Lancierung der Videos wurde auf erste Anfragen, was denn der Lintrac sei, nicht geantwortet. Allerdings wurde genau analysiert, wie die Videos wirken. Dazu wurden auch Zusammenhänge mit dem Newsletterversand untersucht. Immer dann, wenn in der Analyse zu erkennen war, dass das Interesse abflacht, wurde ein neues Video geschalten. Um den Lintrac anzukündigen, wurde dann eine eigene Teaser-Microsite eingerichtet. Interessierte konnten sich für den Newsletter registrieren, um Neuigkeiten aus erster Hand zu erfahren. Nach und nach wurden schließlich einige Merkmale des neuen Produktes und erste Design-Skizzen über den Newsletter kommuniziert. Diese Informationen waren allerdings nicht für die Allgemeinheit zugänglich, sondern nur für den angemeldeten Interessentenkreis. Abgestimmt auf die jeweilige Zielgruppe wurden dann persönliche Einladungen zu Erstpräsentationen an die Presse, die Top-Verkäufer und Mitarbeiter sowie die Kunden verschickt.

Der erste öffentliche Auftritt wurde für die wichtigste Landmaschinenmesse Agritechnica angekündigt. Vorab erfolgte die Erstpräsentation für die Vertriebspartner im Rahmen eines Theaterstückes, bei der die aus der Teaser-Kampagne bekannte Bergbauernfamilie live auf der Bühne vor über 400 Vertriebspartnern und Ehrengästen spielte. Thema des Stückes war die Herausforderung, vor die eine Bergbauernfamilie bei der Finanzierung aller notwendigen Fahrzeuge und Maschinen gestellt wird. Der Abschluss der Präsentation war dann die Vorstellung des Lintracs als Hightech-Produkt, das mit seinem 3in1- Konzept die Lösung der zukünftigen Investitionsprobleme sein kann. Schließlich gewann der Lintrac auf der Agritechnica nicht nur die wichtige Innovations- Medaille, sondern setzte sich gegen die Global-Player durch und erhielt die höchste Auszeichnung der Fachpresse: „Maschine des Jahres 2014“.

Bei der Lindner Werksausstellung war der Lintrac- Prototyp dann erstmals fahrbar und konnte von persönlich registrierten Interessenten getestet werden. Beim internationalen Grünlandtag war der Lintrac schließlich im Einsatz zu sehen. Im Anschluss startete eine Vorführ-Tour bei wichtigen Branchenevents. Der Lintrac wurde außerdem für Testfahrten bei Verkäufer- Schulungen und Presse-Events zur Verfügung gestellt. Dabei wurde jeder Fahrer von ausgebildeten Instruktoren mit den Vorzügen des neuen Fahrzeugs vertraut gemacht. Zudem testeten Fachjournalisten aus allen wichtigen Agrarmärkten den Lintrac im Einsatz und erhielten exklusive Fotos und Unterlagen. Um den Produktnutzen spielerisch darzustellen, wurde in einer mehrmonatigen Internetkampagne die Lintrac „Mähchallenge“ durchgeführt. Teilnehmer konnten Einsatzstunden des Lintrac und Sachpreise gewinnen. Für die Teilnahme am Spiel war eine Registrierung notwendig. Die Registrierung wurde in weiterer Folge zur Abfrage von Betriebsdaten der Teilnehmer verwendet, um die Internet-Community zu analysieren. Das Spiel wurde auch dazu genutzt, um Informationen zu publizieren, wo der Lintrac zu besichtigen und zu testen war. Lead-User aus Deutschland, Österreich und der Schweiz halfen dabei, den Lintrac serienreif zu entwickeln. Dafür wurden über 10.000 Einsatzstunden mit 20 Vorserienfahrzeugen gefahren. Die dabei erstellten Einsatzprotokolle wurden laufend an die Lindner- Entwicklungsabteilung übermittelt. Durch diese Vorgehensweise konnte laut Einschätzung von David Lindner das Fahrzeug binnen kürzester Zeit um eine Generation weiterentwickelt werden – vor allem was Bedienelemente und Schalterbewegungen betrifft. Eine offene Kommunikation der Produktentstehung und der Produktentwicklung ab der Erstpräsentation bis zum Serienstart stand im Vordergrund und war auch durch die Kundeneinbindung notwendig. Dabei war die Kommunikation der Kundenerfahrungen ein zentrales Element. Es wurden sowohl positive als auch negative Kundenerfahrungen mitgeteilt. Besonders wichtig war Lindner dabei, zu zeigen, dass sie sich im Laufe des Entwicklungsprozesses verbessern. Wenn also zu Beginn etwas kritisiert wurde, wurde darauf geachtet, dass im Laufe der Vorserien erkennbar war, was verbessert wurde. Zur Verbreitung der Produkt- Botschaft sowie der Erfahrungen der Lead-User wurden speziell Social Media eingesetzt. Es wurde auch eine direkte Kommunikation zwischen dem Hersteller Lindner und potenziellen Endkonsumenten angestrebt. Der Fachhändler fungiert dabei als „Verstärker“ der Botschaften. Bei Händlerfahrtagen sammelten zudem hunderte potenzielle Kunden erste Fahreindrücke. Dies führte dazu, dass es mit Produktionsbeginn im Dezember 2014 bereits hundert Vorbestellungen des Lintrac gab. Vertrieb und Service fanden ausschließlich über geschulte und dadurch kompetente Fachhändler statt. Durch persönliche Einschulung aller Kunden im werkseigenen Schulungszentrum wurden diese zudem zu Produktbotschaftern ausgebildet. Diese Einschulungen fanden in Gruppen von acht bis zehn Personen statt. Das Zusammentreffen ist für die Landwirte immer ein interessanter Erfahrungs- und Gedankenaustausch unter Gleichgesinnten.

Werksausstellung im Innovationszentrum

Die Ziele, die für dieses Projekt definiert wurden, konnten allesamt erreicht werden. Zudem konnte das Vertrauen in die Marke Lindner gesteigert und die Marktanteile auf den Heimmärkten erfolgreich ausgebaut werden. Des Weiteren konnte die internationale Markenbekanntheit gesteigert und das Fachhändlernetz in Exportmärkten ausgebaut sowie auch neue Märkte wie z.B. der Hopfenanbau erschlossen werden. Der Auftragsstand zum Serienstart des Lintrac lag bei rund zehn Millionen Euro. Vor dem Hintergrund des sehr schwierigen Marktumfeldes ist es Lindner mit dem Lintrac gelungen, die konjunkturbedingten Umsatzrückgänge bei Traktoren auszugleichen und nicht nur neuen Umsatz zu schaffen, sondern auch zur wirtschaftlichen Stabilität beizutragen. Durch die dritte Baureihe konnte sowohl der Marken- als auch der Unternehmenswert gesteigert werden. Zudem ist Lindner durch das zusätzliche Produkt für zukünftige Herausforderungen am Traktorenmarkt gerüstet und auf den Strukturwandel in der Landwirtschaft strategisch gut vorbereitet.

Das Projekt des Tiroler Familienunternehmens wurde von einer Expertenjury aus knapp 100 eingereichten Kampagnen zum Sieger des Staatspreis Marketing 2015 erklärt. Begründet wurde dies damit, dass die Einführung des ersten stufenlosen Standardtraktors mit lenkender Hinterachse ein Paradebeispiel für die marketingbasierte Produktentwicklung durch den Lead-User-Ansatz ist, die konsequente Umsetzung der Marketingstrategie, das gelungene virale Marketing und ein permanentes Marketing-Controlling beispielhaft sind und auch der Erfolg am Markt und Innovationsauszeichnungen die Strategie bestätigen.

Das Unternehmen hat mittlerweile auch auf Facebook eine Community von 50.000 Fans. Ein Grund dafür war auch die Idee, auf Messen Keks-Ausstecher zu verteilen. Damit konnten Väter von einer Landwirtschaftsmesse nicht nur Prospekte mitbringen, sondern auch etwas für ihre Kinder. Dazu gab es dann das Gewinnspiel „Back den Lintrac“, bei dem Fotos von Usern hochgeladen wurden, um ein Go-Kart zu gewinnen. Die Community erweist sich auch als sehr aktiv: Jedes Posting wird durchschnittlich zwei- bis sechshundert Mal geteilt. Im Rahmen der weiteren Marktbearbeitung erfolgte auch die Identifikation von „High-Interest- Potentials“ durch die strategische Auswertung der gesammelten Daten. Dazu zählen Personen, die sich für den Newsletter angemeldet, jene, die an der Mähchallenge teilgenommen sowie solche, die eine Testfahrt absolviert haben. Nach einem Abgleich mit der Kundendatenbank wurden jene Kunden von den Gebietskaufleitern kontaktiert, die einen sieben bis zwölf Jahre alten Traktor besitzen und durch ihre Aktivitäten mögliches Interesse an einem neuen gezeigt haben.

An dieser Stelle bedanken wir uns herzlich bei Mag. David Lindner, der mit typischem Tiroler Schmäh einen spannenden Einblick in den Ablauf eines Erfolgsprojekts der Produkteinführung gegeben hat. Zudem gilt unser herzlicher Dank Mag. Gerald Auer für die gelungene Moderation des Abends.

2018-06-27T09:39:00+00:00